Röhrbein:
Man kann sich den damaligen Haflinger als massiven, kompakten Kleinkaltblüter mit gewissem Adel
und Charme vorstellen, in dessen äußerem Erscheinungsbild sich die im Ursprung an seiner Entstehung
beteiligten Rassen widerspiegelten. Zu dieser Zeit traf man auch Schimmel, Rappen und Braune unter
den Haflingern an, wenn auch die Fuchsfarbe erwünscht war. Mit Kriegsende 1945 wäre beinahe die
Haflingerzucht ebenfalls zugrunde gegangen; die Heeresfohlenhöfe waren aufgelöst und die Wehrmacht
als Abnehmer existierte nicht mehr.
Helfer in der Landwirtschaft
Eine neue Marktlücke fand sich in der Landwirtschaft. Im Zuge der zunehmenden Technisierung war hier
der schwere Kaltblüter nicht mehr gefragt, sondern es wurde zu den mehr und mehr vorhandenen
Maschinen eine Ergänzungszugkraft gesucht. Der Haflinger, wendig, trittsicher, anspruchslos in
Fütterung und Haltung, unkompliziert im Wesen, konnte somit, eingesetzt als Wirtschaftspferd in
klein- und mittelbäuerlichen Betrieben diesen Tiefpunkt gut überstehen, wenn auch aufgrund dieses
Verwendungszweckes wieder die Tendenz bestand, schwere Typen, eventuell auch forciert durch
Zufuhr von Norikerblut, zu bevorzugen. Es sei am Rande bemerkt, daß der Noriker in Bayern schon
früher beheimatet war.
Um eine straffere Organisation zu bewerkstelligen, wurde ein zentrales Hengst- und Stutbuch
eingerichtet, im Zuchtziel wird die Fuchsfarbe, besonders der Lichtfuchs mit hellem Langhaar
als rassetypisch definiert. Das Stammgestüt Schwaiganger begann 1947 mit der
Haflingerhengstaufzucht.
Die Grundlage für einen nachhaltigen Einfluß auf die Landeszucht stellten die Tiroler Importe
Sturmwind 60 und vor allem Nastor 68 dar. Letzterer lieferte den prägenden Nelson 90, geboren 1955,
der gemäß Beschreibung »die Reitpoints eines Kleinpferdes mit den inneren Eigenschaften eines
Arbeitspferdes vereinte.« Seine überaus zahlreichen Nachkommen zeichneten sich durch eine
überdurchschnittliche Qualität aus, bestachen durch Adel, Charme und Farbtreue. Auch der
Hengst Wieland 25 wird in früherer Literatur ebenfalls in der Reihe der maßgeblichen Vererber aufgeführt.
Freizeitkamerad
Nachdem der Haflinger über die Rolle des Tragtiers der Gebirgstruppen nun die Funktion des
leichtfuttrigen, robusten und leistungsstarken Wirtschaftspferdes eingenommen hatte, wurde
ihm bald wieder eine neue Aufgabe zugedacht. Auf der einen Seite schritt die Technisierung in
der Landwirtschaft immer mehr voran, somit war auch hier das Pferd immer weniger anzutreffen.
Auf der anderen Seite jedoch zeichnete sich in den 60er Jahren ein neuer Trend ab, in dem der
Erholung und Entspannung suchende Mensch unter dem Motto »Zurück zur Natur«, zunehmend
seine Freizeit in und mit der Natur erleben wollte. Allgemein kann mit dieser Bewegung dem Pferd
ein neuartiger Verwendungszweck zu, nämlich als Partner des Menschen in Freizeit, Hobby und
Sport. Dies berücksichtigend, verlangte der Markt ein Pferd, das sowohl für Erwachsene wie auch
Jugendliche geeignet war und für die verschiedenen Sparten der Freizeitgestaltung wie Reiten,
Fahren, Voltigieren eingesetzt werden konnte.
Typumstellung erforderlich
Aufgrund seines sympathischen, ansprechenden Erscheinungsbildes und des gutmütigen Charakters
und zumal in Bayern zu diesem Zeitpunkt keine andere Kleinpferderasse in nennenswertem Umfang
angesiedelt war, lag es nahe, den Haflinger hierfür heranzuziehen. Hält man sich noch einmal vor
Augen, welchen Einsatzbereich und damit unweigerlich gekoppelt, welche Exterieurmerkmale diese
Rasse innehatte, wird deutlich, daß der Haflinger in dieser Form dem neuen Verwendungszweck nicht
optimal entsprach. Eine Typumstellung vom kleinen, gedrungenen Arbeitspferd zum eleganteren,
großrahmigen Kleinpferd mit betonten Reitpferdepoints war nun gefordert; es war an der Zeit, erneut
eine Anpassung des Zuchtzieles an die aktuellen Marktansprüche zu vollziehen.
Hierfür wurden bekanntlich zwei Wege eingeschlagen:
1. Selektion auf die geforderten Merkmale aus dem eigenen Bestand bzw. innerhalb derselben Rasse (sog. Reinzucht)
2. Zufuhr einer Veredlerrasse, in diesem Falle von Arabischem Vollblut bzw. Araberhengsten.
Mit dieser Methode sollte auf schnellerem Wege eine bessere Reitpferdequalität erreicht werden.
Letzteres wurde im Vergleich zu anderen Bundesländern in Bayern in wesentlich größerem Umfang
praktiziert. Begründet wurde dieser Schritt damit, daß man es mit einer relativ schweren, im Wirtschaftstyp
stehenden Ausgangsbasis zu tun hatte und eine schnelle Reaktion auf die Marktsituation - um im Vergleich
nicht ins Hintertreffen zu geraten - erforderlich war. Diese Maßnahme, die auch heute noch vielerorts einen
Kritikpunkt darstellt, fand vor allem in Dr. Skalla, und Dr. Karnbaum, bis 1994 Leiter des Haupt- und
Landgestütes Schwaiganger ihre Befürworter.
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